Open Letter to WCC - German

Palestine Update Nr. 50 – 13. Juni 2017

Palästinensische Christen fordern Weltkirchenrat und die ökumenische Bewegung auf zu

„kostbarer Solidarität“ in diesem anscheinend „unmöglichen Moment“.

„Wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht, uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um“ (2.Kor 4, 8-9)

Offener Brief der Nationalen Koalition christlicher Organisationen in Palästina (NCCOP) an den Weltkirchenrat und die ökumenische Bewegung

 Lernet, das Rechte zu tun; sucht die Gerechtigkeit. Verteidigt die Unterdrückten (Jes. 1,17)

Hintergrund

Wenn wir in diesem Monat in Bethlehem im besetzten Palästina zusammenkommen, leiden wir immer noch an 100 Jahren Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die dem palästinensischen Volk mit dem Anfang der ungerechten und  gesetzeswidrigen Balfour-Deklaration aufgebürdet wurde, intensiviert durch die Nakba und das Hereinströmen von Flüchtlingen und gefolgt durch die israelische Besetzung der Westbank, von Ostjerusalem und Gaza und der Zerstückelung unseres Volkes und unseres Landes durch die Politik der Isolation und Konfiskation von Land durch die Errichtung  von Siedlungen „nur für Juden“ und die Apartheid-Mauer.   

Wir leiden auch noch an der politischen Erklärung eines westlichen Imperiums, das sich auf eine verdrehte theologische Prämisse gründet. Sogar einige Kirchen und etliche christliche Führer haben die Einrichtung eines Kolonialstaates in unserem Land unterstützt, und die Nation total ignoriert, sogar entmenschlicht - unser Volk, das bereits seit Jahrhunderten hier lebt und den Preis für die in Europa  begangenen Abscheulichkeiten bezahlt.

Hundert Jahre später und mit tausenden verlorenen Menschenleben, Städten und Dörfern, die vom Gesicht der Erde wegrasiert wurden – aber nicht aus unserem Gedächtnis; mit Millionen Flüchtlingen, tausenden zerstörten Wohnungen und der laufenden Einkerkerung von Gefangenen geht unsere Nakba weiter.

Hundert Jahre später und es gibt immer noch keine Gerechtigkeit in unserem Land. Diskriminierung und Ungleichheit, militärische Besetzung und systematische Unterdrückung   sind an der Tagesordnung. Heute stehen wir vor einem toten Punkt und wir haben einen Stillstand erreicht.

Trotz aller Versprechungen, endloser Gipfelgespräche, UN-Resolutionen, Aufrufen von religiösen Anführern und Laien sehnen sich die Palästinenser immer noch nach Freiheit und Unabhängigkeit und suchen Gerechtigkeit und Gleichheit. Menschlich gesprochen haben wir den „Moment des Unmöglichen“ erreicht, wie der emeritierte Lateinische Patriarch Sabbah kürzlich sagte.

Könnte es sein, dass wir diesen „Moment des Unmöglichen“ erreicht haben, weil die Dinge von vornherein – vor 100 Jahren – auf eine ungerechte Prämisse aufgebaut waren? Sollten wir erwarten, dass eine solche ungerechte Deklaration anderes schaffen wird als Hader und Zerstörung?

Heute ist auch eine Gelegenheit, sich an den Amman Call zu erinnern, der vor zehn Jahren proklamiert wurde. Wir sind denen dankbar, die uns damals in kostbarer Solidarität den Rücken gestärkt haben, denen, die sich der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet haben. Wir sind auch betroffen, dass sich die Situation nach zehn Jahren am Boden verschlechtert hat und immer noch verschlechtert. Wie andere Initiativen, die für die Beendigung der Besetzung eingetreten sind, hat der Amman Call seine Ziele, einen gerechten Frieden zu bauen und zu erreichen, nicht erreicht; wir müssen uns fragen: warum?

Wir sind auch betroffen über Israels systemischen Angriff auf den kreativen Widerstand Palästinas und auf den auf unsere Partner in aller Welt, die diese Methode gebrauchen, um Israel unter Druck zu setzen, die Besetzung zu beenden. In Israel und weltweit wurden neue Gesetze erlassen, um gegen diesen kreativen gewaltlosen Widerstand gesetzwidrig zu opponieren und alle Bemühungen in Richtung auf Frieden zu stoppen. Nicht nur ist dies ein Angriff auf Gewissens- und Redefreiheit, es ist auch ein Angriff auf unser Recht und unsere Pflicht, Bösem mit Gutem zu widerstehen. Israel versucht jetzt gerade, Pilger am Besuch von Bethlehem – der Stadt des Immanuel – zu hindern!

Während wir dankbar sind für die „kostbare Solidarität“, die im Amman Aufruf artikuliert ist und von vielen Kirchen rund um die Erde exekutiert wird, sind wir betroffen, dass einige Kirchen in ihrer Einstellung während der letzten zehn Jahre als Ergebnis dieses manipulierenden Drucks schwächer geworden sind. Viele verbergen sich hinter der Decke der politischen Neutralität, weil sie ihre religiösen Dialogpartner nicht verletzen wollen.

Zuletzt: Wir treffen in unserer Region auf ein Umfeld von religiösen Kriegen und Verfolgung.

Religiöser Extremismus ist im Aufwind, religiöse Minoritäten haben einen schweren und leidvollen Preis bezahlt. Wir danken Ihnen für Ihr Bemühen um die Flüchtlinge und um die Beendigung der Konflikte in unserer Region. Wir danken Ihnen auch für Ihre Unterstützung von verfolgten Christen an Plätzen wie dem Irak und Syrien.           

Unser Aufruf

 „Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden“

(Matth 5/6)

„Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihrer. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen beschimpfen und verfolgen und reden Übles wider euch, wenn sie damit lügen. (Matth. 5, 10-11)

 Wenn wir vor diesem „Moment des Unmöglichen“ stehen, macht es uns keine Freude zu sagen. dass wir Euch „dieses schon vor acht Jahren gesagt haben“ als wir den Moment als einen Kairos-Moment erklärten. Wir stehen im Anblick des Unmöglichen, aber wir haben die Hoffnung nicht verloren, denn als die Nachfolger des Auferstandenen sind wir das Volk der Hoffnung. Jedoch brauchen wir Euch und wir brauchen Euch jetzt mehr als je zuvor. Wir brauchen Eure kostbare Solidarität. Wir brauchen mutige Frauen und Männer, die willens sind, voranzugehen. Das ist nicht die Zeit für oberflächliche Diplomatenchristen. Wir bitten Euch dringend darum, unseren Aufruf zu hören und Euch das Folgende zu eigen zu machen.

1. Die Dinge beim Namen nennen: Erkenne Israel als Apartheid-Staat nach der Definition des internationalen Gesetzes und in Übereinstimmung mit den Worten von Desmond Tutu und dem Bericht von UN ESCWA: „Israel ist schuldig, dem palästinensischen Volk ein Apartheidregime aufzuzwingen“. Wir sind beunruhigt über die Tatsache, dass Staaten und Kirchen mit Israel verhandeln, als wäre die Situation normal, wobei sie die Realität der Besetzung, der Diskriminierung und des täglichen Sterbens im Land außer Acht lassen. Ebenso, wie Kirchen sich zusammengetan haben, um die Apartheid in Südafrika zu beenden, und wie der Weltkirchenrat eine mutige und mitreißend prophetische Führungsrolle eingenommen hat, erwarten wir von Euch das Gleiche!  

2. Dass ihr einstimmig die Balfour-Deklaration als ungerecht verurteilt, und dass ihr vom Vereinigten Königreich (UK) Vergebung vom palästinensischen Volk und Ersatz für die Verluste fordert. Wir ersuchen die Kirchen und Christen, die Palästinenser in ihrer Forderung nach Gerechtigkeit zu unterstützen. Letzten Endes war es seine infame Deklaration, die den Grund bereitete für das Konzept eines ethnisch-religiösen Staates – genau das, worunter unsere Region heute leidet.

3. Dass Ihr einen klaren und den stärksten theologischen Stand gegen jedwede Theologie oder christliche Gruppe einnehmt, die die Besetzung rechtfertigt und eine Nation vor einer anderen aufgrund ihrer Ethnizität oder eines Vertrages privilegiert. Wir ersuchen Euch, die von Kairos Palestine vorgeschlagene Theologie anzunehmen und zu leben und wir bitten Euch, Konferenzen zu organisieren, um das Bewusstsein in dieser Hinsicht zu schärfen.    

 4. Dass Ihr Stellung nehmt gegen religiösen Extremismus und gegen jeden Versuch, einen religiösen Staat in unserem Land und in unserer Region zu schaffen. Wir bitten Euch, uns im Kampf gegen die Gründungen von Extremismen zu unterstützen, und dass Ihr unseren Rat sucht, ehe Ihr etwas gegen religiösen Extremismus unternehmt, damit Ihr unseren Stand hier nicht gefährdet und beschädigt.   

5. Dass ihr Eure Partner für religiösen Dialog wieder besucht und herausfordert und dass Ihr sogar bereit seid, die Partnerschaft aufzugeben, wenn es nötig sein sollte – wenn Partner Besetzung und Ungerechtigkeiten in Palästina nicht in Frage stellen wollen. 

6. Dass Ihr Kampagnen für KirchenleiterInnen und Pilger durchführt: Besuch von Bethlehem

und anderen palästinensischen Städte auf dieser Seite der Trennmauer in Zusammenarbeit mit palästinensischen Touristen- und Pilgeragenturen sei die Antwort auf die derzeitigen Versuche Israels. Wir ersuchen Euch, jeden Versuch Israels oder anderer Christen öffentlich anzuprangern, die PilgerInnen entmutigen, palästinensische Orte zu besuchen.

7. Dass Ihr unser Recht und unsere Pflicht verteidigt, der Besetzung kreativ und gewaltlos   Widerstand zu leisten. Wir fordern Euch auf, zustimmend über die Unterstützung wirtschaftlicher Maßnahmen zu sprechen, die Israel zwingen, die Besetzung zu beenden, und  auch sportliche, kulturelle und akademische Maßnahmen zu unterstützen, die sich gegen den Staat Israel wenden, bis dieser dem internationalen Gesetz und den UN-Resolutionen entspricht, welcher zu einem Ende der Okkupation, der Apartheid und der Diskriminierungen drängt und akzeptiert, dass Flüchtlinge in ihre Heimat und in ihr Eigentum zurückkehren. Ihr seid unsere letzte friedliche Zuflucht. Wir bitten Euch, als Antwort auf Israels Krieg gegen BDS diese Maßnahmen zu intensivieren.

8. Dass Ihr Lobby-Gruppen zur Verteidigung der palästinensischen Christen gründet: Wir fordern Euch auf, öffentlich und legal christliche Organisationen rügen, die unsere Arbeit und Rechtmäßigkeit diskreditieren.

9. Darum schlagen wir als Sache größter Dringlichkeit vor, dass Ihr innerhalb des WCC ein strategisches Programm ähnlich dem „Antirassismus-Programm“ aufstellt, um das Bemühen um Lobbyarbeit und zur Anwaltschaft anzuleiten und aktive Programme in Richtung auf Gerechtigkeit und Frieden in Palästina und Israel zu entwickeln; arbeitet daran, die Gegenwart der palästinensischen Christen durch Unterstützung ihrer Organisationen, der kirchlichen Arbeit und der Bemühungen zum Frieden zu erhalten.

Als Zeugen für den Glauben halten wir uns an die lang existierende prophetische Tradition, die wir bezeugen und weiterführen, besonders jener Forderungen, die wir im Amman Call niedergeschrieben und im Kairos Palestine Dokument ausgedrückt haben. Wir unterstützen alle Kirchenleiter hier und in Übersee beim Abwehren des Druckes, mit dem sie gedrängt werden, nicht die Wahrheit zu sagen; deswegen haben wir diesen Anruf formuliert.

Die Situation entwickelt sich immer dringender! Wir stehen am Abgrund vor einem katastrophalen Kollaps. Der derzeitige status quo ist nicht auszuhalten. Dieser Ruf könnte die letzte Chance sein, um einen gerechten Frieden zu erhalten. Als palästinensische christliche Gemeinde könnte dies die letzte Chance sein, die Präsenz der Christen in diesem Land zu erhalten. Unsere einzige Hoffnung als Christen kommt von der Tatsache, dass in Jerusalem, der Stadt Gottes und unserer Stadt ein leeres Grab vorhanden ist, und dass Jesus Christus, der über den Tod und die Sünde triumphiert hat, uns und der ganzen Menschheit neues Leben gebracht hat.

 Wir sind von allen Seiten unterdrückt, aber nicht zermalmt; verwirrt, aber nicht in Verzweiflung; verfolgt, aber nicht aufgegeben, niedergestreckt, aber nicht zerstört. (2. Kor. 4,8-9)

 Gegeben am 12. Juni 2017

 Unterzeichnet in Jerusalem von:

 Arab Catholic Scouts Group

Arab Orthodox Society, Jerusalem

Caritas Jerusalem

Abteilung für Dienst an palästinensischen Flüchtlingen im Middle East Council of Churches

Greek Catholic Sayedat AlBishara Association

International Christian Committee

Laity Committee in the Holy Land

National Christian Association

Pontifical Mission Palestine

SABEEL – Ecumenical Liberation Theology Center

Seeds of Better Life

Union of Arab Orthodox Club - Jerusalem

Young Men’s Christian Association (YMCA)

Young Women’s Christian Association (YWCA)

Unterzeichnet in Gaza – NECC Office:

 Bethlehem (NCOB)Network of Christian Organization in Bethlehem

The East Jerusalem YMCA /Beit Sahour Branch

The Arab Educational Institute (AEI)

Holy Land Trust, Bethlehem

Wi’am Center, Bethlehem

Saint Afram Assyrian Society

Holy Land Christians Ecumenical Foundation, Bethlehem

Joint Advocacy Initiative JAI)

Arab Orthodox Club, Beit Sahour

Arab Orthodox Club, Beit Jala

Arab Orthodox Club, Bethlehem

The Arab Orthodox Charitable Society, Beit Sahour

Bethlehem Bible College

Siraj Center for Holy Land Studies

Alternative Tourism Group, ATG Beit Sahour

Senior Citizen Charitable Society

Environmental educational Center, Beit Jala

Saint Vincent Charitable Society, Beit Jala

Shepherd’s Children Society, Beit Sahour

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